Entwicklung und Validierung
Die Harnblase ist ein zentrales Organ der Wirbeltiere, und ihre extremen Verformungen (Volumenänderungen von mehreren 100 %) stellen besondere Anforderungen an das Blasengewebe und insbesondere an die aktive glatte Muskulatur. Obwohl eine Vielzahl von Funktionsstörungen und damit verbundenen Gewebeveränderungen bekannt sind, gibt es im Vergleich zu anderen Organen nur wenige mechanische Untersuchungen. Das Hauptziel dieses Projekts ist daher die Erstellung und Validierung eines elektro-chemo-mechanischen Modells der Harnblase auf der Grundlage experimenteller Studien an der Schweineblase.
Für die Erstellung und Validierung des Blasenmodells sind vier Schritte vorgesehen, die eine enge Verzahnung von Experiment und Modellierung zeigen. Dabei werden die Experimente an Hausschweinen durchgeführt, da der Aufbau und das Kontraktionsverhalten der Harnblase bei Mensch und Schwein sehr ähnlich sind. Eine wesentliche Voraussetzung für die Modellentwicklung ist die Methodenentwicklung (I) zur Erfassung der 3D-Verformung sowie die Messung der Erregungsausbreitung auf der Blasenoberfläche. Basierend auf der von den Antragstellern entwickelten optischen Methode zur 3D-Verformungsmessung von Skelettmuskeln soll eine Methode zur Bestimmung der Blasengeometrie unter Wasser entwickelt werden. Darüber hinaus sollen Oberflächenelektroden entwickelt werden, um die Ausbreitung des Aktionspotentials auf der Blasenoberfläche zu messen.
In einem ersten experimentellen Schritt sollen gezielte Untersuchungen an Gewebestreifen (II) durchgeführt werden. Um regionale Unterschiede in der Blasenstruktur zu erkennen, werden die Proben an definierten Stellen der Blasenwand entnommen, um die schichtspezifische Architektur sowie die aktiven und passiven Materialeigenschaften zu bestimmen. Diese Daten werden in einem Zwischenschritt für die Entwicklung und zugehörige Parameteridentifikation des elektrochemo-mechanischen Modells verwendet. Aktive und passive Untersuchungen an der gesamten Blase (III) dienen der Bestimmung der Blasenkapazität, der Druck-Volumen-Abhängigkeiten, der 3D-Verformung sowie der Ausbreitung des Aktionspotentials an der Blasenoberfläche. In einem letzten Schritt werden die zusätzlichen Eingangsdaten aus den Experimenten an der gesamten Blase für die Modellentwicklung und -validierung verwendet (IV).Das entwickelte Blasenmodell stellt eine Ersatz- und Ergänzungsmethode zu Tierversuchen und, aufgrund der Ähnlichkeit der menschlichen und der Schweineblase, zu Studien am Menschen dar. Damit kann es in Zukunft zur Reduktion von Experimenten sowie zu einem besseren Verständnis der Blasenfunktion beitragen. Perspektivisch (Fortführungsphase) soll das Blasenmodell zur Vorhersage verschiedener funktioneller Auswirkungen von Gewebeveränderungen (z.B. Vernarbung der Muskelschicht bei interstitieller Zystitis) genutzt werden. Zu diesem Zweck werden morphologische und mechanische Veränderungen des erkrankten Gewebes experimentell erfasst und auf das Modell übertragen.
Literatur:
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