Projekt CROVO: Kurzvorstellung
Das Beachvolleyballprojekt wurde im Zeitraum vom 01.01.2019 – 30.05.2020 (AZ 070802 / 19) durchgeführt. Es wurde vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften gefördert.
Das Ziel war und ist die Prävention von chronischen Knieschmerzen im Volleyball, welche im Profisport bis zu 50% der AthletInnen betreffen. Fokus waren die unterschiedlichen Beanspruchungen in der Halle und auf den zwei verschiedenen Sandsorten. Der Ursprung der Antragsidee kam aus der Praxis, da gegen bisherige Erfahrungen der Transfer von der Halle in den Sand vermehrt zu Knieschmerzen führte. Bei der Untersuchung kamen Druckmesssohlen (messen die Kräfte), Bewegungssensoren (messen die Bewegung wie Gelenkwinkel) und Elektromyographie (messen Muskelaktivitäten) zum Einsatz. Denn nur das Verständnis über die verschiedenen Anforderung auf den Untergründen kann langfristig zu einer Vorbeugung von chronischen Überlastungen beitragen.
Die Untergründe wurden mittels verschiedener Parameter miteinander verglichen:
- die maximale Kraft, die rate of force development, der Kraftstoß
- der maximale Knieflexionswinkel, die maximale Dorsalflexion, der Bewegungsumfang des Kniegelenks vom initialen Kontakt bis zum maximalen Knieflexionswinkel
- die neuromuskuläre Ansteuerung des Oberschenkels, insbesondere das M. vastus medialis / M. vastus lateralis – Verhältnis.
Die Testreihe umfasste verschiedene Sprungformen:
- Countermovement Jump ohne Arme
- Countermovement Jump mit Arme
- Drop Jump
- Blocksprung
- Angriffsituation 1, in der der Ball angehalten wird (statisch)
- Angriffsituation 2, in der der Ball angeworfen wird (dynamisch)
- Angriffsituation 3, in der der Ball angeworfen wird und eine Schlagrichtung vorgegeben wird (reaktiv)
Weiterhin haben wir mittels dieser Parameter und der Messreihe die AthletInnen mit und ohne Knieschmerzen auf den jeweiligen Untergründen miteinander verglichen.
Die drei Hauptergebnisse der Studie waren,
- dass die kinetischen und kinematischen Unterschiede in den diagnostischen Sprüngen wie Countermovement Jump und Drop Jump nur bedingt auf die sportspezifischen Sprüngen, wie einem Angriffsschlag, übertragbar sind. Beispielhaft sind hier die Sprunghöhen dargestellt. Während bei den Countermovement Jumps zwischen Halle und Sand nur eine Differenz von 2-3 cm vorliegt, sind es im Angriffssprung etwa 10-11 cm. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Angriffsaufgabe hoch standardisiert oder komplexer war.
- dass die beiden Sandsorten (hart und weich) sich in gewissen Parametern stärker unterscheiden als Halle und harter Sand. So unterschied sich in der Absprungphase die maximale Kraft und das Integral zwischen den beiden Sandsorten stärker als zwischen Halle und den beiden Sandsorten. Die Sandkörnung hat folglich einen hohen Einfluss auf die Kraftentwicklung. Kinetische und kinematische Unterschiede zwischen zwei Sandsorten wurden zuvor noch nicht entwickelt. Folglich zeigen unsere Ergebnisse erstmals, dass deutlich mehr Forschung nötig ist, um Belastungsprofile auf verschiedenen Sandsorten zu verstehen und dass trotz relativ ähnlichen Sprunghöhen im Sand die Belastungen stark variieren können.
- dass die AthletInnen mit chronischen Knieschmerzen ein reduziertes M. vastus medialis / M. vastus lateralis Verhältnis hatten, unabhängig vom Untergrund und von der Sprungart. Im Angriff auf dem Stemmbein gab es weiterhin die Tendenz zu einem erhöhten Kraftintegral.
Aufbauend auf dem letzten Projekt soll eine größere Stichprobe von Volleyballern untersucht werden, um die hohe Heterogenität der Risikofaktoren und der Ergebnisse mittels Untergruppen aufzuklären (Davis, Tenforde, Neal, Roper, & Willy, 2020; Neal et al., 2019; Prins & van der Wurff, 2009; Sheehan et al., 2010). Es zeigte sich bereits im Laufsport, dass es (I) nicht die eine Risikovariable im Laufsport gibt, sondern verschiedene und (II) dass die Intervention an einer einzigen auffälligen Variable in einer gezielten Auslese von Läufern mit Knieschmerzen zu einer viel stärkeren und langfristigeren Schmerzreduktion führt als die bisherigen unspezifischen Interventionen (Davis et al., 2020). Gleiches zeigt sich in sportunspezifischen Interventionen. Werden die Probanden an Hand ihrer diagnostischen Tests in spezifische Untergruppen eingeteilt und erhalten ein individuelles Trainingskonzept, sind die Schmerzen langfristig stärker reduziert als mit einem unspezifischen Trainingskonzept (Yosmaoğlu et al., 2020). In anderen Worten:
„Nur gezieltes Training, ist auch effektives Training.“
Diese spezifische Analyse von Risikofaktoren in den Rehabilitationsansätzen scheint äußert sinnvoll, da die jeweiligen Risikofaktoren nur in etwa 30-60% der Fälle bei Probanden mit chronischen Knieschmerzen auftreten und in der Zusammensetzung variabel sind (Drew et al., 2019; Mirzaie et al., 2019; Selfe et al., 2016; Toumi et al., 2013; Van Tiggelen, Cowan, Coorevits, Duvigneaud, & Witvrouw, 2009). Die Analysen erfolgen mittels “Data Science” Ansätzen, die ursprünglich aus den Wirtschaftswissenschaften stammen.
Aus der Projektidee im Jahr 2021 entwickelte sich ein erfolgreicher Antrag beim Bundesinstitut für Sportwissenschaften Ende 2022. Offizielle Kooperationspartner sind der VCO Berlin, der OSP Berlin, der BSP Stuttgart und der OSP Stuttgart, um die Nachwuchskader- und ProfiathletInnen zu vermessen. Die klinische Diagnostik wird von zwei Ärzten (Razvan Alexandru Pacala, Sportklinik Stuttgart) und Dr. Carsten Schlünsen (Berlin) unterstützt. Die StützpunktathletInnen werden etwa 80 Personen umfassen. Um die Stichprobengröße auf 120-150 AthletInnen zu erweitern, werden auch aus dem gehobenen Breitensport AthletInnen ab Verbandsliga aufwärts in unserem Labor, an der Universität Stuttgart, untersucht.
Beschriebene Risikofaktoren in Zusammenhang mit chronischen Knieschmerzen umfassen eine verminderte Beweglichkeit in Sprung- und Kniegelenk, ein Defizit in der neuromuskulären Ansteuerung und ein Defizit in der Oberschenkel- und Hüftkraft. Die Assoziation zwischen der Bewegungsausführung und chronischen Knieschmerzen ist auf Grund von widersprüchlichen Ergebnissen noch unklar. All diese verschiedenen Variablen werden in unserer Messung untersucht. Am Ende der Messungen, spätestens am nächsten Tag, bekommen die AthletInnen einen Auswertebogen mit ihren relevanten Daten und einer vorläufigen Einschätzung ihrer Defizite basierend auf bisherigen Ergebnissen der Literatur. Bei Bedarf/ Wunsch gibt es einen Zugang zu einer App, in der basierend auf den Defiziten, Trainingsübungen von uns ausgewählt werden. In der App kannst du dir die Übungen in Ruhe angucken und dich bei Rückfragen an uns wenden. So haben die AthletInnen einen maximalen Benefit von den Untersuchungen.
Die Datenanalyse für das Projekt erfolgt mittels Data Science Ansätze wie z.B. Clustering und Klassifikation. Ein Experte auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Schwenkreis von der DHBW Stuttgart. Im Rahmen dieses Projektes unterstützt er uns bei der Datenanalyse. Wir erhoffen uns erstmals einen besseren Einblick in verschiedene risikohafte Kombinationen von Defiziten. Darüber hinaus soll der Zusammenhang von Leistungsparametern in verschiedenen Tests und der Sprunghöhe ermittelt werden, um nicht nur die Prävention, sondern auch die Leistungssteigerung zu fördern.
Umfangreiche Informationen zum Projekt, Aufklärung über die Thematik und mögliche Trainingsansätze findest du auch im Podcast.
Für inhaltliche Fragen zum Projekt:
Christina Frese
Wissenschaftliche Mitarbeiterin