Migration und organisationaler Wandel in Sportvereinen

Analyse, Entwicklung, Implementation und Evaluation von Programmen zur interkulturellen Öffnung.

Projektleitung

Prof. Dr. Carmen Borggrefe (Universität Stuttgart, Verbundkoordinatorin)
Prof. Dr. Klaus Cachay (Universität Bielefeld)
Prof. Dr. Christa Kleindienst-Cachay (Universität Bielefeld)
Prof. Dr. Thomas Altenhöner (Fachhochschule Bielefeld)

Projektkoordination

Dr. Klaus Seiberth (Universität Stuttgart)

Projektmitarbeiter/innen

Tobias Schleifer (Universität Stuttgart)
Sarah Hoenemann (Fachhochschule Bielefeld)
Linus Armbruster (Universität Bielefeld)

Finanzierung

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Maßnahme „Migration und gesellschaftlicher Wandel“ im Rahmen des Forschungsrahmenprogramms „Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften“, Themenfeld II: „Diversität und institutioneller Wandel durch Zuwanderung“)

Laufzeit

01.11.2017 - 31.10.2020

Die Bundesrepublik Deutschland ist bereits seit längerer Zeit ein Einwanderungsland. Ablesen lässt sich diese Tatsache an der Quote von Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung, die derzeit bei 21% liegt. Fokussiert man ausschließlich die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen, so ist hier der Anteil mit über 30% noch wesentlich höher. In ausgewählten Großstädten liegt der Anteil der Unter-18-Jährigen mit Migrationshintergrund bereits um die 50%.

Es versteht sich von selbst, dass die Integration all dieser Personen eine zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung darstellt, deren Bewältigung für die weitere Entwicklung Deutschlands in sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht von enormer Bedeutung ist. Auch ist ebenso unbestritten, dass genau hierzu die Sportvereine einen wesentlichen Beitrag leisten können, stellen diese doch mit ihren ca. 28 Mio. Mitgliedschaften die größte, zumal frei zugängliche Personenvereinigung in Deutschland dar. In dem Maße, in dem es gelingt, Personen mit Migrationshintergrund zum Eintritt in die Vereine zu bewegen, darf mit wesentlichen positiven Effekten für deren persönliche wie für die gesellschaftliche Entwicklung gerechnet werden. Aber – und hier liegt das Problem: Bislang finden nicht nur zu wenige Personen mit Migrationshintergrund den Weg in die Sportvereine, diese verteilen sich darüber hinaus auch noch mit segregativer Tendenz. Während beispielsweise Fußball- und Kampfsportvereine häufig beachtliche Migrantenquoten aufweisen, gelingt es der Mehrzahl der Vereine bislang nicht, Migrantinnen und Migranten als Mitglieder zu gewinnen.

Dieser Sachverhalt ist zum einen aus integrationspolitischer Perspektive problematisch, indem er auf einen segregativ verlaufenden Kontakt zwischen autochthoner und Migrantenbevölkerung hinweist. Zum anderen wird dadurch auch der Selbsterhalt der von der Unterrepräsentanz betroffenen Vereine gefährdet. Denn insofern – aufgrund des demografischen Wandels der Gesellschaft, der durch einen Rückgang der Geburtenziffern insgesamt gekennzeichnet ist – der relative Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund steigt, wird es diesen Vereinen über kurz oder lang kaum mehr gelingen, ihren Mitgliederbestand zu erhalten, falls sie sich nicht auch gegenüber Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund öffnen. Gelingt dies nicht, dürfte mittel- und langfristig der Erhalt einer differenzierten Sportvereinslandschaft, die Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund vielfältige Möglichkeiten des Sporttreibens, aber auch der demokratischen Teilhabe offeriert, in Gefahr sein.

Will man dieser Entwicklung begegnen und das Integrationspotenzial des organisierten Sports zukünftig in seiner gesamten Vielfalt nutzen, bedarf es einer interkulturellen Öffnung möglichst aller Sportvereine, um so auch jenen Personen mit Migrationshintergrund, die bislang nicht den Weg in die Sportvereine finden, die Teilhabe an demokratischen Prozessen innerhalb der Vereine zu ermöglichen und sie darüber in die Zivilgesellschaft zu integrieren.

Das Forschungsprojekt nimmt die Unterrepräsentanz und die unterschiedliche Verteilung von Migrantinnen und Migranten auf die einheimischen Sportvereine zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen und fragt auf analytischer Ebene – erstens – nach den organisationsspezifischen Gründen dieser Unterschiede: Weshalb zeigt sich ein großer Teil der Vereine gegenüber der Bevölkerungsgruppe der Migrantinnen und Migranten verschlossen und weshalb gelingt es manchen Vereinen, Personen mit Migrationshintergrund als Mitglieder zu gewinnen und zu einem nachhaltigen Sportengagement zu führen? Welche strukturellen Besonderheiten kennzeichnen Sportvereine mit hohem Migrantenanteil? Wie wurde der Prozess der interkulturellen Öffnung eingeleitet und wie entwickelte sich dieser durch die Aufnahme und Teilhabe von Migrantinnen und Migranten weiter? Im Hinblick auf die Erforschung organisationaler Wandlungsprozesse von Sportvereinen ist zudem zu fragen, welchen Einfluss (sport-)politische Programme, wie etwa das Programm „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes, haben.

Zweitens sollen mögliche Integrationseffekte, die durch strukturelle Veränderungen im Verein bewirkt werden, untersucht werden. Dabei ist z.B. zu fragen, ob und inwieweit eine Integration in den Sport, d.h. in soziale Netzwerke des Sportvereins, erfolgt und ob und inwieweit eine Integration durch Sport in die Gesellschaft stattfindet. Dies heißt zu untersuchen, ob mit der Mitgliedschaft im Verein positive Auswirkungen auf den Erwerb der deutschen Sprache, auf Bildungsprozesse, gesundheitliches Verhalten, auf die Integration in den Arbeitsmarkt und in verbands- und kommunalpolitische Prozesse einhergehen und ob eine stärkere Identifikation mit dem Leben hier und jetzt erkennbar ist.

Auf einer konzeptionellen Ebene sollen die zu erwartenden Forschungsergebnisse sodann zur Entwicklung von Interventions- und Beratungsmaßnahmen genutzt werden, um in Vereinen Prozesse des organisationalen Wandels im Hinblick auf eine interkulturelle Öffnung systematisch zu fördern. Diese Maßnahmen sollen in enger Kooperation mit ausgewählten Vereinen und Verbänden implementiert und evaluiert werden.

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