Kommunikation unter Druck.

Praktiken der Verständigung zwischen Trainern und Athleten im Wettkampfsport.

Projektleitung

Prof. Dr. Jörg Bergmann
Prof. Dr. Klaus Cachay
Prof. Dr. Carmen Borggrefe
PD Dr. Christian Meyer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Ulrich K. v. Wedelstaedt Ajit Singh

Auftraggeber/Finanzierung

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Laufzeit

2010-2013

Projektbeschreibung

Viele Handlungs- und Kommunikationsmodelle gehen von idealisierten Interaktions- und Kommunikationsbedingungen aus, wie sie in der Realität nur selten bestehen. Im Spitzensport liegt dieser idealisierte Rahmen jedoch gerade nicht vor, sondern die Beteiligten verständigen sich unter erschwerten Bedingungen. Trainer, Athleten und Offizielle kommunizieren unter großem Zeit- und Erwartungsdruck sowie unter hoher Emotionalität und körperlichem Einsatz. Vergleichbare Bedingungen bestehen auch in anderen hochriskanten Situationen, wie zum Beispiel im Krieg, bei akuten Notfällen, Verkehrsunglücken oder Naturkatastrophen. Auch hier agieren die Beteiligten unter massivem Handlungsdruck. Derartige Forschungsfelder sind allerdings für empirische Untersuchung nur selten zugänglich. Das Wettkampfgeschehen im Spitzensport hingegen stellt aufgrund seiner vergleichbaren Bedingungsfaktoren ein empirisch gut zugängliches Feld dar, um kommunikative Prozesse unter extremen Handlungsdruck zu erforschen.

Während die Alltagskommunikation zumeist ohne massive Beschränkungen verläuft, obliegt die Kommunikation im sportlichen Wettkampf einer Vielzahl an Restriktionen: Die körperliche Belastung und die notwendige Konzentration führen dazu, dass die Athleten über vielfältige nonverbale Äußerungsformen kommunizieren. Ihre verbalen Akte besitzen – in der Hitze des Gefechts – oftmals die Form von Interjektionen, von kurzen, thetischen Ausrufen oder auch emotionalen Ausdrücken.

Dem Trainer kommt hingegen die besonders vielseitige kommunikative Aufgabe zu, Handlungsanweisungen zu vermitteln, taktische und strategische Entscheidungen zu treffen sowie Motivation und Kampfgeist zu wecken. Dabei wird von ihm erwartet, den Wettkampf rational, effektiv und erfolgsorientiert zu beeinflussen. Auf ihm lasten die Erwartungen von Mannschaft, Management, Publikum und medialer Öffentlichkeit gleichermaßen. Der Trainer trägt nicht nur die Verantwortung für das Geschehen im Wettkampf, sondern muss sich zudem auch den wirtschaftlichen Konsequenzen einer potentiellen Niederlage stellen.

Eine der wesentlichen Restriktionen im sportlichen Wettkampf ist der herrschende Zeitdruck, der das Kommunikationsgeschehen maßgeblich beeinflusst. Die Akteure müssen die wichtigsten Informationen und Botschaften kurz und prägnant, das heißt so verdichtet wie möglich und dennoch erfolgreich, vermitteln.

Neben dem enormen Zeitdruck wird diese verdichtete Kommunikation auch durch sportartspezifische Wettkampfbedingungen bedingt. Im Handball beispielsweise findet die Rücksprache zwischen Trainer und Team in den Auszeiten (Timeouts) statt. Dabei müssen die Akteure in nur 60 Sekunden eine ganze Reihe an Aufgaben praktisch handhaben: Das schnelle Zusammenfinden von Mannschaft und Trainer, die Partizipation am primären Kommunikationsstrang des Trainers, die durch sich überlagernde Kommunikationsstränge der Spieler erschwert ist, die Etablierung einer geteilten Einschätzung des Spielverlaufs und darauf aufbauend eine Verständigung über komplexe taktische Maßnahmen, die im weiteren Spielverlauf umzusetzen sind.

Schließlich intensiviert die Dramaturgie des Wettkampfgeschehens den Handlungsdruck maßgeblich. Mit Fortdauer des Wettkampfes nimmt nicht nur der Zeit- und Erwartungsdruck zu, sondern auch die psychische und physische Belastung. Dies lässt sich besonders komprimiert am Beispiel von Amateurboxkämpfen beobachten. Diese bestehen jeweils aus drei Runden á drei Minuten, wobei zwischen den Runden einmütige Pausen eingelegt werden. Die Kommunikation zwischen Trainer und Boxer ist hierbei nicht nur auf die Rundenpausen beschränkt, sondern der Trainer richtet auch während der Kämpfe durchgehend taktische und strategische Anweisungen an den Boxer, kommentiert deren technische Umsetzung und spricht motivierend auf den Boxer ein.

Wie sieht die Kommunikation in kommunikationsfeindlicher Umgebung nun aber aus? Welche kommunikativen Praktiken werden angewandt, um zwischen den Akteuren eine Verständigung zu erzielen? Welchen Einfluss haben die spezifischen Druckbedingungen auf diese Äußerungspraktiken? Lassen sich Strategien beobachten, die zur Erreichung der Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Äußerungen verwandt werden? Sind emergente Mechanismen zu identifizieren, die es ermöglichen, Kommunikationsmuster unter massivem Handlungsdruck zu generalisieren? Wie unterscheiden sich diese Kommunikationsprozesse von den Formen und Mustern der Alltagskommunikation, die diese massiven Druckbedingungen nicht aufweist?

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