Erfolgreiche Spitzensportförderung in Baden-Württemberg?
Eine empirische Studie zu den sozialen Strukturbedingungen erfolgreicher Karrieren im Spitzensport (SupPORT)
Projektleitung
Prof. Dr. Carmen Borggrefe (Universität Stuttgart, Verbundkoordinatorin)
Prof. Dr. Jochen Mayer (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd)
Kooperationspartner
Prof. Dr. Klaus Cachay (Universität Bielefeld)
ProjektmitarbeiterInnen
Konstantin Werner (Universität Stuttgart)
Anja Bosold (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd)
Finanzierung
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
Laufzeit
01.06.2022 – 30.11.2025
Es ist unbestritten: Spitzensportliche Erfolge bedürfen einer zielgerichteten und systematischen Förderung. Dies impliziert eine fortlaufende Optimierung der Talentsichtung und -förderung, der Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung sowie der technischen, taktischen und konditionellen Leistungsentwicklung. Es bedarf adäquater Unterstützungsleistungen im Bereich biomechanischer Analysen sowie sportmedizinischer, physiotherapeutischer und sportpsychologischer Betreuung. Und nicht zuletzt bedarf es technischer Unterstützung im Bereich der Optimierung und Abstimmung von Sportgeräten. Aber: So wichtig diese Bedingungen auch sein mögen, sie reichen nicht aus, um sportliche Erfolge zu sichern. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die optimale Förderung von Athletinnen und Athleten im Spitzensport auch von sozialen Strukturen abhängig ist.
Dabei ist erstens an das unmittelbare soziale Umfeld zu denken, das einen entscheidenden Einfluss darauf haben dürfte, ob Athletinnen und Athleten den Weg in den Spitzensport finden und dann auch dort – die entsprechenden Leistungen vorausgesetzt – verbleiben. Als zentrale Akteure fungieren hier vor allem Trainerinnen und Trainer, aber auch der Familie und den Eltern kommt eine zentrale Bedeutung im Verlauf einer spitzensportlichen Karriere zu. Schließlich dürften innerhalb des unmittelbaren sozialen Umfelds auch peer groups einen Einfluss auf spitzensportliche Karrieren haben, je nachdem, ob sie solche Karrieren eher unterstützen oder in Frage stellen.
Zweitens sind organisationale Strukturen zu berücksichtigen, z.B. institutionelle Lösungen zur Ermöglichung „Dualer Karrieren“. Zudem muss sichergestellt werden, dass die besten Athletinnen und Athleten auch dort trainieren, wo sie in ihrer Entwicklung am besten gefördert und unterstützt werden. Dies impliziert im föderalen System des bundesdeutschen Spitzensports beispielsweise Fragen der Zentralisierung vs. Dezentralisierung, der Gestaltung von Vereins- und Stützpunktwechseln, der Kooperation von Vereinen und Verbänden, der Zusammenarbeit von Heim- und Landes- bzw. Bundestrainern sowie nach der Bedeutung von Internaten. Zusammenfassend betrachtet geht es darum, ob und wie Athletinnen und Athleten den für sie optimalen Förderstrukturen zugeführt werden und wie dies zwischen den beteiligten Akteuren koordiniert wird.
Reflektiert man die bisherigen Überlegungen, dann dürfte die erfolgsrelevante Bedeutung sozialer Strukturen vor allem darin liegen, dass sie einen hohen Einfluss auf bedeutsame Karriereentscheidungen von Athletinnen und Athleten haben. Unter welchen Strukturbedingungen lassen sich diese überhaupt auf eine spitzensportliche Karriere ein? Unter welchen Umständen sind sie bereit, Trainingsumfänge und ihr spitzensportliches Engagement zu erhöhen und dabei gegebenenfalls auch Abstriche in anderen Bereichen in Kauf zu nehmen? Unter welchen Strukturbedingungen lassen sie sich auf Stützpunktwechsel und damit verbundene Schul- bzw. Hochschulwechsel ein? Unter welchen Strukturbedingungen sind sie gegebenenfalls bereit, schulisch-berufliche Nachteile in Kauf zu nehmen oder zumindest zeitweise Ambitionen in diesen Bereichen zurückzustellen? All diese hier nur beispielhaft genannten Karriereentscheidungen werden durch soziale Strukturen beeinflusst – oder anders formuliert: In dem Maße, in dem es gelingt, die sozialen Strukturbedingungen einer spitzensportlichen Karriere optimal zu gestalten, dürfte dies positive Auswirkungen auf sportliche Erfolge haben.
Ausgehend von der hier konstatierten Bedeutung sozialer Strukturbedingungen für die Leistungsentwicklung und zukünftige spitzensportliche Erfolge von Athletinnen und Athleten geht das Forschungsprojekt auf analytischer Ebene folgender Fragestellung nach:
Welche sozialen Strukturen prägen das Umfeld der Athletinnen und Athleten in Baden-Württemberg und welchen Einfluss haben diese auf karriererelevante Entscheidungen?
Darüber hinaus verfolgt das Projekt auf anwendungsorientierter Ebene das Ziel, die analytischen Ergebnisse im Rahmen einer partizipativen Organisationsentwicklung für eine Optimierung der Förderstrukturen in Baden-Württemberg zu nutzen. Aus den Projektergebnisse werden Handlungsempfehlungen für eine Weiterentwicklung der Spitzensportförderung in Baden-Württemberg abgeleitet werden, die sich an den je spezifischen Anforderungen und Strukturbedingungen der Sportarten orientieren. Dabei gilt es, die Studienergebnisse gemeinsam mit den Akteuren des Spitzensports in Baden-Württemberg zu reflektieren und problemangemessene Interventionsmaßnahmen zu entwickeln.